|
alte Briefe
|
Ein Großteil unserer heutigen Familie stammt von
den Trittharts ab, die über mehrere Generationen in Galizien gelebt haben.
Dass das Leben nicht leicht war zu jener Zeit und so nahe an der russischen
Grenze, zeigen einige Briefe, die mein Urgroßvater Adam damals an seine
Söhne - in diesem Falle überwiegend an Heinrich - geschrieben hat. Ich
möchte ein paar davon hier vorstellen, dokumentieren sie doch ein
eindrucksvolles Stück Zeitgeschichte.
Um die "übersetzung" der Schriftstücke haben sich Harald Tritthart und
insbesondere Helmut Kurz verdient gemacht. |
Brief v. Adam,
08/1910
Brief v. Adam, 04/1911
Brief v. Adam, 12/1913
Brief v. Adam, 1914
Brief v. Adam, 12/1914
Brief v. Adam, 11/1915
Karte von Josefow und Umgebung |

1910 |
Der erste Brief ist von Adam vom August 1910, den Tod seiner Ehefrau hat er noch
nicht überwunden:
Lieber
Heinrich.
Du hast mir schon einige Briefe geschrieben, und ich habe Dir leider
noch nie geantwortet, Du schreibst mir so schöne Briefe, die mir so zu Herzen gehen, daß
ich vor Tränen nicht lesen kann; ja das treue Mutterherz schlägt ja nicht mehr,
die treue gute Mutter fehlt überall, nicht eine Minute ist sie außer meinen
Gedanken; ich kann und werde sie auch nicht vergessen, denn sie war zu gut gegen
ihre Kinder und gegen mich; da war alles in bester Ordnung in Haus und Feld, und
jetzt muß ich zuschauen wie überall alles zugrunde geht; ich kann nicht mehr
alles bestreiten, die heurige Ernte hat mir noch die letzten Kräfte geraubt.
Karl hat keinen Ernteurlaub bekommen, weil er im Frühjahr 2 Monate zu Hause war;
aber mit Gotteshilfe habe ich alles überstanden, viele Tage habe ich ganz allein
im Schneidacker gestanden, da waren den ganzen Tag meine Augen nicht trocken,
sonst hat immer die liebe Mutter neben mir gestanden, und jetzt mußte ich allein
schneiden; auch habe ich mich erinnert, als sie voriges Jahr anfing zu
schneiden, sagte sie, weiß der liebe Gott, wer das andere Jahr schneiden wird,
als hätte es ihr vorgestanden.
Beeile dich, lieber Heinrich, und komme wo möglich wie am schnellsten,
damit du mir beim Säen ein wenig mithelfen kannst, denn Karl wird wahrscheinlich
erst bis halben September zu Hause kommen. Adam wollte doch auch kommen und
jetzt schreibt er, daß er nicht kommen kann; für die Reise werde ich dir schon
zurückerstatten, vielleicht wird die Bahn schon bis ersten September gehen; es
gehen jetzt schon Probezüge; sollte die Bahn noch nicht bis dahin gehen, so fahr
nach Krassne, dorten ist immer ein Jude aus Radziechow, so kannst du nach
Radziechow kommen. In Radziechow werde ich dich mit der Fuhre abholen.
Heuer ist nichts, zähle schon Tag für Tag, damit ich
dich in meine Arme schließen kann; in Lemberg trete ab beim Linkert, schaue was
das kleine Emilchen macht; ich will unserer seligen Mutter ein Denkmal stellen
auf ihr Grab, so kannst du mit Linkert einen Stein bestellen.....
|
|

|
1911 |
Am 25.4.1911 schreibt Adam einen Brief an
Heinrich nach österreich, der sich beim Militär stellen soll und deshalb den
Vater bat, bei den galizischen Behörden nach den fehlenden Unterlagen
nachzufragen. Das Misstrauen gegenüber den Behörden wird deutlich:

Lieber Heinrich!
Ich habe Deinen Brief am 21. erhalten, bin gleich am anderen Tag nach
Kamionka gefahren zum ersten beim Kamisähr, habe ihm alles erzählt und
fragte ihn, ob die Gesuche welche die Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt
wegen Stellungsangelegenheit für meinen Sohn Heinrich hier eingelangt ist,
gab er mir zur Antwort, es ist schon alles erledigt; ich habe ihm aber nicht
geglaubt, bin gleich zum Bezirkshauptmann gegangen, habe ihm alles erzählt
den ganzen Sachverhalt; da ist gleich der Herr Bezirkshauptmann mit mir zum
Kamisähr gegangen und haben lange miteinander gesprochen und dann hat es
sich heraus gestellt, daß noch alle Akten bei ihm liegen, alle Gesuch,
Anstellungsdekret, Matura-Zeugnis; dann sagte der Bezirkshauptmann, fahren
sie nach Hause, binnen acht Tage wird alles erledigt und abgeschickt; ich
sagte ihnen, dass am 22. Mai Assentierung in Feldkirchen sein wird und mein
Sohn sich dorten vorstellen will. ob alles abgeschickt wird, ist sehr
fraglich; am 1. Mai hat Jozefow sich zu stellen, dann wird Kaufmann auch in
Kamionka sein, dann wird er sich erkundigen, ob schon alles abgeschickt ist;
habe mit ihm schon gesprochen, werde ihn noch daran erinnern, wenn er
hinfährt.....
|
|

|
1913 |
Das nächste Schreiben ist datiert vom
26.12.1913. Adam blickt auf sein bisheriges Leben zurück:
..... habe ich mich gefreut, dass ihr eine kleine Tochter habt und ihr
der Name der seligen Mutter gegeben wurde; gebe Gott, sie möge gedeihen,
soll so werden wie die selige Mutter, fromm, gottesfürchtig und sparsam.
Wenn man so an die Vergangenheit denkt, noch nicht sehr lange waret
ihr kleine Kinder, heute seid ihr schon alle Familienväter, immer einen
Schritt näher am Grab; wenn ich nicht irre, habe ich schon 23 Enkelkinder;
was möchte uns fehlen, wenn die liebe Mutter noch am Leben wäre, muß so
einsam jetzt mein Leben zubringen, da wird einem die Zeit sehr lange. ich
bin jetzt meistens im Zimmer beim Kind; so lange zu dreschen war, habe ich
mitgeholfen, jetzt ist nichts zu tun. Karl steht gut, er hat schon ziemlich
bares Geld, vorigen Herbst sind unsere zwei Pferde assentiert worden, da hat
er schönes Geld bekommen; ich habe auch einige hundert Kronen in der
Jozefower Raiffeisenkasse zu 5 1/2 Prozent, da bekommt noch ein jedes einen
Teil, aber erst wenn ich mich einmal werde schwach fühlen; mir will das
Schreiben nicht mehr gut gehen, die Hand zittert schon, auch sehe ich nicht
mehr gut, auf meinem linken Aug sehe ich fast gar nichts mehr beim
Holzhacken ist mir ein Stück Holz ans Aug geflogen und ist mir verletzt
worden.
Bei uns in Jozefow hat sich vieles verändert,
die Bahn rollt über unsere Felder zum Bahnhof nur 2 Kilometer eine schöne
Straße von uns nach Radziechow, ein großes Gasthaus an der Straße, ein
deutscher Gastgeber, jetzt haben sich die Leute wo zu unterhalten.....
|
|

|
1914 |
Im nächsten Brief wird vom milden Winter
1913/14 in Galizien berichtet. Die Familie des Heinrich wird eingeladen. Es
ist kein Problem, Butter per Post von einem galizischen Dorf ins
österreichische Kernland zu verschicken:
Vielgeliebte
Kinder.
Das Paket samt Winterwäsche erhalten, ..... es paßt alles als wäre das Maß
von mir genommen worden - ich werde euch für eure Liebe, die ihr an mir tut,
zehnfach zurückerstatten.
Du hast uns, lieber Heinrich, geschrieben, daß du uns in den Ferien
besuchen willst; vielleicht ist es möglich, auch deine liebe Frau und euer
kleines Töchterchen mitzubringen, das möchte eine Freude geben, denn durch
diese 4 Jahre, daß unsere liebe Mutter tot ist, war bei mir noch keinen
Augenblick etwas Frohes bei mir. Jakob hat uns auch geschrieben, daß er und
Otto uns dieses Jahr besuchen wollen. Emma freut sich auch schon, ihre
Schwägerin kennenzulernen, sie wird sich viel Enten und Hühner besorgen,
damit es jeden Tag Fleisch zu essen gibt, voriges Jahr hat sie über 20 Stück
Enten und Hühner ohne Zahl gehabt, waren der Meinung, es werde jemand von
euch kommen. –
Bei uns ist dieses Jahr ein ganz mäßiger Winter im Jänner war durch 8
Tage 3 Grad Frost, das war der ganze Winter; seit 1. Februar sind so warme
Tage, daß man sich in der Sonne schon gut wärmen kann; ich bin doch schon im
64. Jahr aber so ein leichter Winter gedenke ich nicht, aber ein altes
Sprichwort sagt: wenn's nicht vorwintert, so muß es nachwintern. Schnee ist
auf dem Feld gar keiner, nur in manchen Winkeln ist ein wenig zu sehen, aber
der wird noch kommen, wenn's heißt ins Feld. –
Wir möchten euch ein Paket Butter schicken, wissen aber nicht, ob ihr
braucht, bei uns kostet ein Kilo 2 Kronen, wenn es bei euch teurer ist und
ihr keinen habt, so schreibt uns eine Karte, so werden wir euch einige Kilo
schicken....
|
|

|
1914 |
Im Brief vom 30.12.1914 ist die drohende Gefahr zu spüren, wie wird die
Zukunft aussehen? ..... Habe eure Karte mit den schönen
Glückwünschen am 2. Weihnachtstag erhalten, war ganz allein zu Hause. Karl
und seine Frau waren auf die Feiertage zu ihren Eltern nach Turenka
gefahren; hat mich sehr gefreut, daß ihr doch auch wieder einmal an mich
gedacht habt gerade jetzt, da ich so einsam in Betrübnis mein Leben
zubringen muß. Meine Gedanken sind nur immer auf die Zukunft bedacht, was
die mir noch bringen wird, Gutes habe ich nicht mehr zu hoffen, obwohl ich
auch bis jetzt noch wenig Gutes gehabt habe, Schlechtes schon viel mehr.....
Bei uns wird jetzt viel gesprochen vom Krieg, noch immer werden alte
Reservisten einberufen, auch Pferde hat man assentiert, auch unsere 2 Pferde
sind assentiert worden, ausbezahlt und sogleich vorgenommen; vor 4 Wochen
war es fast schon zum Auswandern gekommen. Die Russen lagen an der Grenze,
jeden Augenblick glaubte man, daß die Russen hier eindringen werden und
alles vernichten, aber Gott sei Dank, es ist doch nicht dazu gekommen; jetzt
ist alles ruhig, nur kein Handel, alles ist tot, niemand kauft etwas und
wenn man es ums halbe Geld geben möchte. Die Witterung ist jetzt bei uns
sehr schlecht, jeden Tag Regen, im Feld ist alles grün wie im Frühjahr.....
|
|

|
1915 |
Bis zum nächsten Brief dauert es fast ein
Jahr, Ursache ist das Kriegsgeschehen. Der Brief vom 25.11.1915 von Adam an
seine Kinder ist außergewöhnlich lang und köstlich zu lesen. Er schildert
genauestens die russische Okkupation Josefows und die Flucht der
Bevölkerung. Lustige Begebenheiten, bittere Ironie und tiefe Resignation -
alles ist enthalten: ..... Die Zeit vergeht, auf Leid folgt Freud, die
erste Freude während der langen Kriegszeit war ein langer Brief samt
Fotographie; jetzt haben wir euch wieder in unserem Hause, denn die Russen
haben fast alle Bilder von den Wänden heruntergerissen, zerbrochen, aber
nach und nach wird wieder ersetzt werden. -
Ich werde euch das gröbste vom Einzug der Russen bis zum Ausgang
schildern, wenn ich nicht irre, war es Ende August, als die Russen in
Zboiska eindrangen und alle deutschen Wirtschaften in Brand legten; man
hörte die Kanonen donnern, alle Leute aus Zboiska kamen in unser Dorf zu
fahren und sagten, daß die Russen auch bald hier sein werden und auch euer
Dorf in Brand legen; wir haben sogleich die Wagen vollgeladen, was zum Laden
war, die besten Kleider und dann ging's zum Dorf hinaus, die Zboisker sind
uns auch nachgefahren, die Richtung nach Kamionka; Rindvieh, Schweine mußten
wir zurücklassen.
Als wir nach Cholojów kamen, war die Straße voll mit unserem Militär,
daß wir nicht in die Stadt einfahren konnten; einige haben sich doch
durchgearbeitet und sind gefahren bis Sapieschanka, wir aber mußten im Feld
unter freiem Himmel übernachten; am nächsten Morgen kam schon der Emma ihr
Vater von Sapieschanka uns entgegen, er hat schon abends erfahren, daß wir
zu ihm kommen werden.
Ich bin dann von Cholojów nach Hause gegangen und die Emma ist mit
ihrem Vater nach Sapieschanka gefahren; als ich zu Hause kam, war alles in
bester Ordnung. einige waren nur bis Stanin gefahren und sind noch in der
Nacht nach Hause gefahren, keine Russen waren nicht zu sehen, es war nur ein
kleines Gefecht bei Zboiska, die ungarische Kavallerie hat die Russen
zurückgeschlagen, sind wieder zurück nach Rußland; diese Auswanderung war
gar nichts, aber nach acht Tagen kam die zweite, da war was zu sehen; es war
an einem Sonntagnachmittag um 2 Uhr da kam eine Schar Reiterei Russen von
Sabinufka gerade auf unser Dorf zu; schnell waren alle Leute aus dem Dorf;
das war ein Jammer; Weiber welche keine Fuhr hatten, trugen ihre ganze
Habseligkeit in der Hand, die Kinder hinten nach, das war ein Gewein.
Rindvieh wurde wenig mitgenommen, Milchkühe nur; das übrige blieb im Dorf
zurück, ebenso blieben auch die Schweine zurück; da hatten die Russen was zu
fressen, und nun ging's mit den Leuten fort in das Ungewisse; auch ich war
bei dieser Auswanderung, hatte zwei, die besten Kühe am Strick, und ging
immer hinten nach, oft schaute ich um, ob nicht unser Dorf brennt oder die
Kosaken nachkommen; und so ging's bis nach Stanin, vor dem Dorf blieben wir
stehen, da wurde beraten was weiter zu tun sei, ob weiter oder nicht; die
Staniner kamen auch zu uns, haben uns geraten, wir sollen bleiben, die
hatten auch schon ihre Wägen zurecht, nur zum Einspannen, kommen die Russen,
so werden wir zusammen weiterfahren. Als wir so untereinander ratschlagten,
kamen schon einige Kosaken in der Richtung von Jozefow nach Stanin gerade
auf uns zu; da hat einem jeden das Herz geklopft, jetzt heißt es stramm
aushalten, mag gehen wie es will, denn zum Durchgehen war nicht mehr Zeit;
kamen bei uns geritten mit ihren langen Piken, schwarzhäutige Menschen mit
rotfunkelnden Augen, gräßlich anzuschauen; ich war der Meinung, die werden
uns alle umbringen, haben nicht einmal einem ein grobes Wort gesagt, fragten
nur wo unser Militär sei; da hat jeder mit dem Kopf geschüttelt, weiß nicht,
und dann sind sie weiter geritten, eine Gefahr war vorüber.
Es war schon vor Abend, da im freien Feld übernachten war nicht
angenehm; ich übergab meine zwei Kühe der Marie und sagte ihr, daß ich zu
Hause gehen werde; will sehen, was sich zu Hause tut, verabschiedete mich
und ging; als ich vor den Wald kam, war alles schwarz mit Pferden und
Mannschaft; als ich ins Dorf kam, waren alle Höfe voll mit Pferden, die
Häuser voll mit Mannschaft. Gegruselt hat es mich, mutterseligallein unter
so rohes Volk zu gehen; mir war es gleichgültig, einmal muß man doch
sterben, befahl mich Gott und ging in unser Haus hinein; die Türen standen
alle offen, im ersten Zimmer waren 4 Offiziere, ging zu ihnen, begrüßte sie,
einer hat deutsch gesprochen; die haben mich ganz höflich empfangen, fragten
mich, ob ich vielleicht der Wirt von hier sei, sagte ich ja, mußte mich zu
ihnen setzen, fragten mich, warum die Leute aus gewandert wären,
wahrscheinlich aus Furcht; wir haben nur mit Militär zu tun, Zivil geht uns
nichts an; jetzt war auch schon die zweite Gefahr vorüber, einer gab mir
eine Zigarette, ein anderer ein Glas Wein, mußte auch mit ihnen essen, habe
mich auch nicht zweimal heißen lassen, denn Hunger hatte ich schon großen;
jetzt muß ich auch im Hofschauen, was sich dorten tut; im Nebenzimmer waren
die Offiziersdiener und Köche, die waren auch ganz freundlich, nur im Hof
die Kosaken das waren gräßliche Gestalten; das ärgste war als ich sah, wie
sie den Hafer aus der Scheuer trugen und den Pferden unter die Füße warfen;
der Hof lag meterhoch mit Hafer gestreut; ich habe mich bei den Offizieren
beklagt, daß die Soldaten überflüssig den Hafer im Hof herumstreuen; einer
sagte, wir werden ihnen bezahlen, haben aber nichts gezahlt; ich habe
sogleich die Scheuer verschlossen und ließ keinen nicht mehr hinein; dann
gingen sie in die Nachbarscheuer und holten für ihre Pferde; obwohl alle
Höfe mit Pferden angefüllt waren, in den meisten Scheuern ließen sie keine
Garbe mehr, so daß die Leute nicht hatten zum Anbauen; wir hatten doch noch
hinreichend für unsere Pferde und auch zum Anbauen.
Die Russen können nur viel fressen, sie standen doch nur 2 Tage in
unserem Dorf, da haben sie alle Schweine, alle Hühner, Enten und auch 4
Stück Rindvieh aufgefressen, uns haben sie nichts gerührt; ich habe alles
beobachtet, Sonntag nachmittags sind sie gekommen und dienstags sind sie
fortgeritten; da wurde es ganz heller im Dorf, jetzt war ich ganz allein, es
hat aber nicht lange gedauert, da kamen die Jozefower einer nach dem anderen
wieder ins Dorf zu fahren; da war Freude über Freude, alle waren der
Meinung, die Russen hätten mich umgebracht; ich erzählte ihnen gleich, was
die Russen angerichtet haben, den ganzen Hafer verfüttert, alle Schweine,
Hühner geschlachtet. das hat sie nicht gekränkt, sie waren nur alle froh,
daß das Do~ nicht abgebrannt ist und ein jeder wieder in seinen Hof
einfahren konnte; jetzt war ich schlecht dran, die Emma mit den Pferden war
fort, da war schon die höchste Zeit zum Herbstanbau; als die Russen nach
Kamionka kamen, sind die Sapieschanker auch ausgewandert bis hinter Lemberg
und blieben 3 Wochen aus.
Im Winter mußten wir viel leiden durch die Russen, Tag für Tag Holz
zur Bahn fahren, da gab 's keinen Sonntag, aber nur meistens die Deutschen;
im Frühjahr, als die Zeit kam zum Anbauen, durfte keiner ackern fahren, nur
Vorspann; nicht einmal bekam man mit dem Stock über den Kopf, mußte es
einreiben; es wäre ja noch vieles über die Russen zu schreiben, aber da
bräuchte man ein Faß Tinte und einen Wagen voll Papier; jetzt noch ein wenig
von Karl, im ersten Gefecht war er bei Kamionka am Bug, er war sogar bei
seinen Schwiegereltern in Sapieschanka abgetreten, als sie
durchmarschierten; das zweite Gefecht war Lemberg, und dann ging's hinter
Lemberg; im Dezember war er zwischen Przemysl und Krakau, dorten wurde fast
das ganze Regiment gefangen, 750 Mann, 12 Offiziere; nur der Oberst sei
durchgebrannt, als alle Mannschaft in einem ruthenischen Dorfe
übernachteten, hat er sich und noch einer aus unserem Dorf, ein gewisser
Germann, Zivilkleider verschafft, die Militärkleider abgelegt und kamen
glücklich zu Hause; hat sich immer verstecken müssen, denn die Russen haben
immer beim Gemeindevorsteher nachgefragt, ob nicht Gefangene im Dorf sind;
und so war es bis halben Juni, wie die Russen alle Männer wegnahmen, mußten
sie auch mit, geschrieben hat noch keiner bis jetzt. wo sie sind, weiß
niemand; es wird hier herumgeredet, daß sie bald nach Hause kommen sollen.
Wir leben jetzt ganz traurig, keine Glocke hört man in der ganzen
Umgebung nicht, alle haben die Russen mitgenommen, kein Pfarrer, kein
Lehrer, kein Gottesdienst; ja man weiß nicht einmal, wenn's Sonntag ist;
unser Dorf ist jetzt voll mit unserem Militär, lauter Matjahren, auch die
Stallungen sind voll mit Pferden, die werden den ganzen Winter hier
zubringen; bei uns ist schon ziemlich viel Schnee und auch starker Frost,
kein Kriegsgefecht war in unserer Nähe nicht, in der ganzen Umgebung hat es
in allen Dörfern gebrannt, Mierow ist ganz abgebrannt durch die
Kanonenkugeln, Hanunin fast über die Hälfte, in Stanin einige Häuser, ein
ruthenisches Dorf ganz in der Nähe von uns ganz abgebrannt; unser Dorf hat
der liebe Gott verschont, obwohl auch einige Kugeln ins Dorf
einschlugen, die meisten gingen übers Dorf; die Russen hatten
im Dorf Schanzen gegraben, da waren wir drein bis das Gewitter vorüber war;
am letzten Tag, als die Russen garaus mußten, haben sie uns noch
alles geraubt, Lebendes alles, Kleider, kurz und gut alles.
Liebe Kinder, ihr habt geschrieben, daß ihr etwas Winterwäsche
schicken wollt; angenehm ist es mir ja nicht, daß ich von euch etwas
verlangen soll, aber die Not drückt, denn bei uns bekommt man für kein Geld
nichts zu kaufen; was ihr mir schickt, das werde ich euch zehnfach wieder
zurückgeben.....
(Bildausschnitt aus einem anderen Brief)
|
|
 |

Es gibt noch einige mehr Briefe und Karten von Adam und später (bis 1948)
von seinem Sohn Karl. Wenn Interesse besteht, so will ich
auch sie gern an dieser Stelle zugänglich machen,
beschreiben sie doch eindrucksvoll die Situation in Josefow zwischen den
Kriegen und in den Kriegszeiten selbst. Aber erstmal wollte ich die Resonanz
abwarten. Peter
zum Seitenanfang |
|